Oberlandesgericht Celle vom 15.02.2023.
Im vorliegenden Fall war ein Hund in eine Pferdekoppel, auf der sich zwei Pferde befanden, eingedrungen und hatte eines der Pferde so lange gescheucht, bis dieses beim Versuch den Zaun zu überspringen stürzte. Nach dem Sturz lief das Pferd, getrieben von dem Hund, noch weiter bis in den nächsten Ort. Hierbei stürzte es nochmals mehrfach und verletzte sich schwer. Die Behandlungskosten für das verletzte Pferd betrugen 14.000,- €
Der Pferdehalter verklagte daraufhin den Hundehalter auf Schadensersatz.
Der Hundehalter argumentierte dagegen, bei dem Pferdehalter hätte kein besonderes Affektionsinteresse an dem Pferd vorgelegen. Des Weiteren seien die Behandlungskosten offensichtlich unverhältnismäßig und damit nicht erstattungsfähig. So dürften die Kosten den vierfachen Wert des 24-jährigen Pferdes, dass ein Gutachter auf 300,-€ taxiert hatte, nicht übersteigen. Weiter meinte der Hundehalter, dass der Pferdehalter sich aufgrund der vom streitgegenständlichen Pferd ausgehenden Tiergefahr im schadenauslösenden Geschehen eine Mithaftung von wenigstens 50 % anrechnen lassen müsse.
Dem konnte das Gericht nicht folgen und urteilte, dass dem Pferdehalter dem Grunde nach der Schadensersatzanspruch in voller Höhe gegen die Beklagte aus Tierhalterhaftung gemäß § 833 S. 1 BGB zustehe.
Dazu hieß es im Urteil, dass der Schaden auf der typischen Tiergefahr des Hundes zurückzuführen sei, die sich hier in dem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten des Hundes aufgrund seines natürlichen Jagdtriebes manifestiert hätte. Bei der dann nach § 254 BGB gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile überwiege hier die von dem Hund ausgehende Tiergefahr gegenüber der zuzurechnenden Tiergefahr des Pferdes derart erheblich, dass die Tiergefahr des Pferdes hinter der Tiergefahr des Hundes zurücktrete und zu einem Entfallen der Mithaftung des verletzten Pferdes führe.
Zur Höhe des Schadensersatzes befand das Gericht, dass im vorliegenden Fall ein besonderes Affektionsinteresse des Pferdehalters an dem streitbefindlichen Pferd zu berücksichtigen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme handele es sich bei dem Pferd um das erste vom Pferdehalter erworbene Pferd, zu welchem er von Anfang an und immer noch eine besonders enge Bindung hätte. Bei der Abwägung des aus der Verantwortung für das Tier folgenden immateriellen Interesses des Pferdehalters vor dem Hintergrund seiner engen emotionalen Bindung an das Pferd und des affektiven Interesses an der Wiederherstellung der Gesundheit und der körperlichen Integrität des seit 24 Jahren in seinem Besitz befindlichen Pferdes gegen das wirtschaftliche Interesse des Hundehalters, hätte das wirtschaftliche Interesse des Hundehalters zurückzustehen. So seien die Behandlungskosten auch gerechtfertigt, wenn sie den Wert des Tieres um das 49-fache übersteigen, so das Gericht. Dies sei auch damit zu begründen, dass der Gesundheitszustand und die Lebenserwartung des Pferds ohne das schädigende Ereignis gut war, die Erfolgsaussichten der Heilbehandlungsmaßnahmen aus ex ante-Sicht gegeben waren und die erfolgten Heilbehandlungsmaßnahmen und damit im Zusammenhang stehenden Kosten vertretbar gewesen seien.